Es gibt wohl kaum jemand, der nicht mit Superhelden-Comics aufgewachsen ist. Dementsprechend prägend sind sie natürlich auch. Je nachdem, wann man geboren wurde, ist man mit unterschiedlichen Superhelden-Comics aufgewachsen. Ich bin Jahrgang 1981, das heißt, He-Man und die Masters of the Universe hatten einen enormen Einfluss auf mich. Aber auch Batman, Spiderman, Superman und so viele andere.
Kürzlich war ich mit meiner dreijährigen Tochter im Kino, eigentlich in einem 40-minütigen Disney-Film voller kleiner Superhelden, und da sind mir ein paar Gedanken gekommen, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte.
Weshalb Comics solch eine Faszination ausüben
Auf diese Frage gibt es wohl keine falsche Antwort. Superhelden-Comics entführen uns in eine Welt, die wir so nicht kennen. Physische Grenzen werden aufgehoben und man gerät ins Träumen. Was sagt ChatGPT dazu?
- Fantasie und Flucht aus der Realität: Superhelden-Comics bieten eine Flucht aus dem Alltag und ermöglichen es den Lesern, in fantastische Welten einzutauchen, in denen übermenschliche Kräfte und unglaubliche Abenteuer Realität sind.
- Moralische Klarheit: Superhelden verkörpern oft klare moralische Vorstellungen von Gut und Böse. Sie kämpfen für das Gute und gegen das Böse, was für viele Leser ein Anker in einer oft komplexen und moralisch ambivalenten Welt sein kann.
- Identifikation und Empathie: Obwohl Superhelden übermenschliche Kräfte besitzen, haben viele von ihnen auch menschliche Schwächen und Probleme. Das ermöglicht den Lesern, sich mit den Charakteren zu identifizieren und Empathie für ihre Herausforderungen zu empfinden.
- Epos und Mythologie: Superhelden-Comics bedienen sich oft epischer Handlungsstränge und mythologischer Elemente. Die Geschichten können episch, zeitlos und oft sogar allegorisch sein, was die Leser in den Bann zieht.
- Abenteuer und Action: Superhelden-Comics bieten oft eine Mischung aus Action, Abenteuer und Spannung, die Leser jeden Alters anspricht. Die Kämpfe zwischen Superhelden und Superschurken sind aufregend und bieten eine unterhaltsame Flucht aus dem Alltag.
Besonders Punkt 2 – die moralische Klarheit interessiert mich im Kontext dieser Kolumne.
Welche ethischen Folgen haben Superhelden-Comics?
Nun, sie teilen die Welt oft in „schwarz“ und „weiß“ ein. Es gibt den Superschurken und den Superhelden. Je stärker der Bösewicht, desto besser geht es dem Helden. Ein notwendiges Gleichgewicht. Der moralische Standpunkt scheint immer klar zu sein. Das ist Fiktion. Denn in der realen Welt gibt es immer Zwischentöne, Grauzonen. Aber Comics vermitteln uns, dass man fast immer entscheiden kann, wer 100% böse und wer 100% gut ist. Dass diese „Traumwelt“ doch mehr Einfluss auf uns erwachsene Menschen hat, als man glauben möchte, sieht man an den letzten Jahren und den öffentlich anerkannten und vertretenen Meinungen. Manche Gesellschaftskritiker gehen sogar aus, dass wir es mit einer „infantilen Gesellschaft“ zu tun haben. Also nix mit Wissens- und Informationsgesellschaft. Was wir aber am allerwenigsten zu sein scheinen, ist eine Reflexionsgesellschaft.
Das Leben könnte so einfach sein
Wer wollte als Kind nicht einmal als dunkler Ritter oder Spider-Man die Welt retten? Das Konzept des Superhelden impliziert automatisch moralische Integrität. Superhelden stehen für das Gute und machen selten Fehler. Leider ist die Realität nicht so einfach. Es gibt eine Vielzahl von Interessen, und vielleicht ist keine per se böse oder per se gut. Dieser Relativismus scheint für unser Gehirn schwer zu verarbeiten zu sein, weshalb – vermutlich aus Selbstschutz – versucht wird, die Realität so zu biegen, dass sie einen klaren moralischen Kompass liefert – wie eben in den Comics. Hinzu scheint eine tiefe Sehnsucht zu kommen, die Welt retten zu wollen. Parallelen zu Klimaaufklebern oder anderen gesellschaftspolitischen Aktivitäten sind sicher nur zufällig, oder? Slogans wie: „Wir müssen das Klima retten! Bleib zu Hause, das könnte Leben retten! Schau auf mich, schau auf dich!“ sprechen eine deutliche Sprache. Wer will nicht Retter und Vertreter des Guten sein? Als Bösewicht hat man es schwerer. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.
Infantile Indoktrinierung – Helfersyndrom deluxe
Zurück zu meinem Kinobesuch mit meiner jüngsten Tochter. Das Spidey-Team, PJ Masks und die Unglaublichen geben sich die Klinke in die Hand. Alles gut gemachte Geschichten mit den immer gleichen Botschaften. Immer muss jemand gerettet und auf den rechten Weg gebracht werden. Was harmlos aussieht, kann im Erwachsenenalter fatale Folgen haben. Ansichten können schnell zur Realität werden, wenn der Zweck die Mittel heiligt. Ich finde es bemerkenswert, dass schon bei den Kleinsten der Kleinen mit einer solchen – gewollten oder ungewollten – Indoktrination begonnen wird. Später gibt es dann das erwachsene Pendant mit James Bond, Mission Impossible & Co. Die Absicht ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht: Hilf, wo du nur kannst! Problematisch wird es, wenn sich Heranwachsende nur dann wertvoll fühlen, wenn sie hilfsbereit sind. Dann kann sich ein massives Helfersyndrom entwickeln.
Was tun? Superhelden Comics verbieten?
Natürlich nicht. Aber man kann als verantwortungsbewusster Elternteil durchaus die kritischen Seiten dieser Industrie beleuchten. Ich werde mit meiner dreijährigen Tochter wahrscheinlich nicht über den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant diskutieren, aber ich werde mit allen Mitteln versuchen, sie zu einem hilfsbereiten Menschen zu erziehen, der anderen nicht aus Kompensationsgründen hilft, sondern aus freien Stücken, weil er weiß, dass es gut ist, Menschen in Not zu helfen. Gleichzeitig werde ich aber auch versuchen, ihr den Wert der „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu erklären, damit sie nicht ungewollt und infantil Ko-Abhängigkeiten schafft, wie ich es so oft in meinem Umfeld beobachte.
Ich glaube, ich lese heute Abend mal wieder ein He-Man-Comic.