Es hat sich etwas verschoben, früher war Quellcode etwas für Eingeweihte, kryptisch, stur und streng formal. Heute genügt manchmal ein Satz wie: „Bau mir eine To-do-App mit Drag & Drop“ und zack, da steht sie. Nicht perfekt, aber erstaunlich solide. KI-gestützte Tools werfen mit Codezeilen um sich, als hätten sie nie etwas anderes getan.
Das wirkt ein wenig wie echtes Können, ist aber lediglich maschinelles Training, gepaart mit cleverem Prompting. GitHub Copilot, ChatGPT, Replit & Co. machen es plötzlich leicht, ohne klassische Ausbildung Software zu basteln. Nur wie weit trägt dieses neue Selbstbewusstsein wirklich?
Vibe Coding: zwischen Faszination und Fehlannahme
Es klingt nach kalifornischem Leichtmut, doch Vibe Coding ist längst nicht nur Tech-Slang. Gemeint ist das Entwickeln nach Gefühl unterstützt durch KI, die auf Befehl Codes generieren kann. Man beschreibt grob, was gebraucht wird, und erhält eine fertige Lösung. Zumindest oberflächlich. Denn viele dieser Ergebnisse sehen gut aus, halten aber in der Praxis wenig aus.
Mit dem passenden Prompt lassen sich innerhalb weniger Minuten Login-Formulare erzeugen, Datenbanken anlegen oder Frontend-Komponenten strukturieren. Das verleiht neuen Nutzern das Gefühl, in eine Welt vorgedrungen zu sein, die ihnen früher verschlossen blieb. Kein Debugging, keine kryptischen Fehlermeldungen. Einfach ausprobieren, anpassen und weitermachen.
Der Haken liegt allerdings dort, wo Dinge ineinandergreifen. Wenn sich Anforderungen verschieben, Systeme komplexer werden oder technische Abhängigkeiten auftreten, reicht das auf Zuruf gebaute Puzzle nicht mehr aus. Viele dieser Codeschnipsel sind funktional, solange sie in einer isolierten Umgebung laufen. Sobald sie Teil eines echten Projekts werden, beginnen sie zu bröckeln. Nicht immer sofort, aber in der Regel garantiert.
Was Entwickler heute leisten müssen, hat sich verschoben
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der Beruf des Entwicklers plötzlich hinfällig sei. Die Aufgaben haben sich definitiv verändert. Wo früher penible Syntax herrschte, geht es heute um Struktur, Weitsicht und das Vermeiden von Chaos in großem Maßstab. KI kann dabei helfen. Aber sie ersetzt nicht die Fähigkeit, komplexe Prozesse so zu denken, dass sie auch nach Monaten noch nachvollziehbar sind.
Gefragt sind Entwickler, die über das hinausdenken, was in Tutorials steht. Die ahnen, dass ein Datensatz mit 1000 Zeilen nicht automatisch mit einer Million skaliert. Die wissen, dass ein Interface hübsch aussehen kann und trotzdem im Alltag scheitert. Die verstehen, warum es nicht reicht, wenn ein Prompt einfach nur funktioniert.
Wo KI tatsächlich an ihre Grenzen kommt
Ein besonders präzises Feld ist die digitale Glücksspielbranche. Hier zählt nicht, wie gut sich ein Spiel anfühlt, es muss absolut verlässlich im Hintergrund arbeiten, wie zum Beispiel Book of Ra, denn dieser Online-Slot ist mehr als ein Design mit Walzen und Symbolen. Hinter der Oberfläche läuft ein durchgeplantes Regelwerk und das ist mathematisch berechnet, rechtlich geprüft und technisch abgesichert. Jede Funktion, von der Animation bis zur Auszahlung, muss exakt so arbeiten, wie vorgesehen. Dementsprechend ist der Glücksspielbereich keine Spielwiese für einen schnell zusammengeklopften KI-Code.
Die Anforderungen hier sind hoch. Zufallszahlengeneratoren unterliegen strengen Prüfungen. Datenflüsse dürfen nicht manipuliert werden. Zahlungsprozesse müssen verschlüsselt und gesetzeskonform ablaufen und das alles in einer Umgebung, die rund um die Uhr erreichbar, skalierbar und gegen Angriffe geschützt sein muss. Solche Systeme verlangen erfahrene Developer, die zu jedem Zeitpunkt die Kontrolle behalten.
Hier wird klar, dass Vibe Coding allein nicht ausreicht. Es gibt keinen Button für Compliance und keine KI-Abkürzung zur Lizenztauglichkeit. In diesem Umfeld reicht ein Gefühl für den Code nicht. Es braucht zu 100 Prozent technische, juristische und operative Verlässlichkeit. Somit bleibt der menschliche Blick auf Details dabei unverzichtbar.
KI als Werkzeug, nicht als Architekt
Natürlich hat KI ihre Stärken. Sie ist schnell, lernfähig und kreativ im Kleinen. Wer etwa zehn Mal denselben Codeblock schreiben muss, freut sich über jede Automatisierung. Auch beim Erstellen von Tests, beim Refactoring oder bei der Umwandlung von Legacy-Code leistet sie inzwischen Erstaunliches. Das entlastet den Entwickler, ersetzt aber nicht die Arbeit an der Substanz.
Beispiele, bei denen KI glänzen kann:
- generieren von Standardfunktionen (z. B. CRUD-Methoden in REST-APIs)
- Vorschläge für HTML-Strukturen und CSS-Klassen
- Code-Vervollständigung inklusive sinnvoller Variablennamen
- Formatierungen, Tests und kleinere Verbesserungen im Stil
Wo sie auf menschliche Erfahrung angewiesen bleibt:
- einordnen technischer Anforderungen in ein Systemkonzept
- entscheiden, ob eine Lösung sicher, stabil und zukunftsfähig ist
- erkennen von versteckten Seiteneffekten bei Codeänderungen
- bewerten von Prioritäten, Machbarkeit und Wartungsaufwand
Ein Tool wie GitHub Copilot kann gute Vorschläge machen. Doch ob diese sich in die bestehende Architektur einfügen, ob sie bei wachsender Nutzerzahl noch standhalten oder welche Sicherheitslücken sie potenziell erzeugen, muss weiterhin jemand beurteilen, der den Gesamtüberblick hat. Ohne diesen Überblick entsteht kein stabiles Produkt, eher ein Flickenteppich aus Halblösungen, die irgendwann nicht mehr funktionieren.
Das folgende Video des SWR zeigt, wie leistungsfähig KI inzwischen geworden ist:
Nicht jeder Prototyp ist ein Produkt
Was schnell entsteht, hält nicht immer lange. Das gilt für spontane Projekte und vor allem für viele KI-generierte Anwendungen. Innerhalb weniger Stunden kann ein funktionsfähiger Prototyp stehen, doch sobald dieser erste Entwurf in die reale Umgebung überführt wird, zeigen sich Risse. Eine fehlerhafte Session-Logik, ein nicht dokumentierter Drittanbieter-Call, ein versäumtes Caching und schon funktioniert der Code nicht mehr wie geplant. Die Technik täuscht hier oft Reife vor, wo noch gar keine Basis gelegt wurde. Ein lauffähiger Codeblock ersetzt keine Architektur. Keine durchdachte Datenhaltung. Keine Error-Strategie und erst recht kein verantwortungsvolles Produktmanagement. Was in einem Demo-Projekt funktioniert, scheitert in einer produktiven Umgebung oft schon am ersten echten Nutzerverhalten.
Die Vorstellung, dass sich durch KI einfach alles in Software übersetzen lässt, verkennt die Realität komplexer Systeme. Anwendungen, die zuverlässig laufen, müssen geplant, getestet, dokumentiert und gewartet werden. Sie müssen Versionen verwalten, Fehler abfangen und im besten Fall auch in einem halben Jahr noch verständlich sein. Auch für Menschen, die nicht beim ursprünglichen Projekt dabei waren. Genau das liefert eine KI nicht mit. Sie schreibt, was für den Moment funktioniert. Nicht, was zukünftig trägt.
Wenn neue Technologien neue Maßstäbe setzen

Gerade weil viele Prozesse inzwischen automatisiert ablaufen, steigen auch die Ansprüche. Durch Digitalisierung & KI wird die Entwicklung effizienter. Doch gerade das bringt neue Anforderungen mit sich. Wer heute Software baut, wird nicht mehr nur an der Funktionalität gemessen. Qualität, Transparenz und Geschwindigkeit entscheiden maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg. Je mehr sich Prozesse beschleunigen, desto größer ist der Bedarf an sauberem Handwerk. Code muss laufen und gleichzeitig erklärbar sein. Revisionsfähig. Sicher. Die Zeit der halbgaren Hacks ist vorbei. Warum? Weil sie im Alltag nicht standhalten. Geschwindigkeit ersetzt keine Gründlichkeit.
Was sich für Einsteiger verändert
Auf den ersten Blick wirkt der Einstieg ins Programmieren heute leichter als je zuvor. Wer eine gute Idee hat, findet innerhalb kürzester Zeit Wege, sie umzusetzen. Tutorials, No-Code-Tools, KI-gestützte Editoren senken die Hürde, um erste Projekte umzusetzen. Die Schwelle, bei der jemand zum ersten Mal mit Programmierung in Kontakt kommt, liegt heute bei null.
Doch genau diese vermeintliche Leichtigkeit ist auch tückisch. Denn wer direkt mit KI-Tools startet, überspringt die wesentlichen Grundlagen. Es fehlt an Verständnis für Abläufe, Gefühl für Struktur und Erfahrung im Umgang mit Fehlern. Die Fallhöhe steigt. Wenn der erste Erfolg zu einfach kommt, ist die Frustration umso größer, wenn ein Projekt später ins Stocken gerät.
Viele Bootcamps und Schulungen haben diesen Wandel bereits erkannt. Neben Programmieren ist ein wesentlicher Bestandteil zu lernen, wie man mit KI arbeitet, ohne blind zu vertrauen.
Programmieren lernen heißt, Verantwortung übernehmen
Gute Entwickler schreiben keinen Code, sie denken in Systemen. Sie fragen, was passiert, wenn der Nutzer etwas Unerwartetes tut. Sie überlegen, ob ein Feature auch unter hoher Last funktioniert. Sie analysieren, wie sich einzelne Komponenten gegenseitig beeinflussen, welche Wechselwirkungen auftreten und welche Risiken das birgt.
Das lässt sich nicht an eine KI delegieren. Dafür braucht es Erfahrung, Übersicht, Vorstellungskraft und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Denn wo Software entscheidet, entsteht Wirkung und wer diese Wirkung nicht begreift, erzeugt Unsicherheit. Die Technik muss dabei nicht perfekt sein, aber sie darf niemals unberechenbar wirken.
Was bleibt und was sich ändern sollte
Es gibt keinen Grund, nostalgisch zu werden. Dass heute niemand mehr wochenlang an einem HTML-Formular basteln muss, ist ein Gewinn. Dass Syntaxfehler kaum noch passieren, ist effizient und dass durch KI auch Menschen Zugang zu Technologie bekommen, die früher nie den Einstieg geschafft hätten, ist ein Fortschritt.
Aber dieser Fortschritt hat Bedingungen. Er funktioniert nur, wenn die Werkzeuge richtig eingesetzt werden. Wenn Ergebnisse überprüft, kontextualisiert, verbessert und hinterfragt werden. Es reicht nicht, dass ein Button klickbar ist. Die Frage lautet: Funktioniert er im richtigen Moment? Liefert er die richtigen Daten? Was passiert, wenn er es nicht tut?
Softwareentwicklung bleibt ein menschliches Handwerk, auch in Zeiten der Automatisierung. Die Werkzeuge haben sich verändert, die Verantwortung nicht. Wer glaubt, mit einem guten Prompt sei alles gesagt, der unterschätzt, wie viel Wissen in der Entscheidung steckt, ob etwas deployed wird oder nicht.
Wer Code versteht, kann KI sinnvoll nutzen
Die Frage ist durchaus berechtigt, bedeutet KI das Ende des Programmierer-Booms? Nein, denn Künstliche Intelligenz wird Entwickler nicht ersetzen. Sie ist vielmehr ein Verstärker. Ein Beschleuniger. Vielleicht auch ein kreativer Sparringspartner. Aber sie ersetzt kein technisches Urteilsvermögen. Kein Gefühl für Qualität. Kein Verantwortungsbewusstsein. Wer mit ihr arbeitet, gewinnt, solange er weiß, was er tut.
Der Mythos vom demokratisierten Coden ist attraktiv. Aber er greift zu kurz. Software, die etwas leisten soll, braucht mehr als ein gutes Prompting. Sie braucht Menschen, die wissen, worauf es ankommt. Die Strukturen erkennen. Die Muster durchschauen und die den Mut haben, einen Vorschlag auch mal zu verwerfen. Die KI kann vieles, aber sie kann nicht entscheiden, was richtig ist. Diese Entscheidung bleibt menschlich.