Ein leiser Wandel zieht sich durch das digitale Europa. Keine lauten Reformen mit Paukenschlag, sondern schleichende Veränderungen mit weitreichender Wirkung. Online-Shops, Plattformen und digitale Services stehen vor einem Umbruch, der sich auf den ersten Blick wie eine technische Randnotiz liest, auf den zweiten aber grundlegende Fragen aufwirft.
Wer künftig in der EU online verkaufen, wer Inhalte verbreiten oder Dienste anbieten will, muss sich auf neue Spielregeln einstellen. Barrierefreiheit, Produktsicherheit, Jugendschutz, Nachhaltigkeit und der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, all das bekommt ab 2025 einen EU-Stempel. Doch führt das zu einem besseren Internet? Oder bremst es Anbieter aus und macht das Netz grauer statt grüner?
Was genau verändert sich ab 2025 und für wen gelten die neuen Regeln?
Auf dem digitalen Stundenplan steht ab 2025 eine ganze Liste neuer Paragrafen und Pflichten. Im Zentrum steht dabei das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz BFSG. Der Name klingt wie der Titel eines Beamtenromans, doch der Inhalt hat Wucht. Ab Juni müssen viele digitale Angebote barrierefrei sein, und zwar nach den WCAG-Standards, genauer gesagt Level AA der Version 2.1. Das betrifft Websites, Online-Shops und Apps, aber auch E-Book-Reader oder Geldautomaten.
Hinzu kommt der Digital Services Act. Der DSA will Online-Plattformen transparenter machen und illegale Inhalte schneller verschwinden lassen. Für große Player wie Meta oder Amazon sind die Vorgaben bereits aktiv, kleinere Dienste haben ab 2025 keine Ausrede mehr. Meldefunktionen, Werbetransparenz und algorithmische Nachvollziehbarkeit sind Pflicht. Wer Inhalte in sozialen Netzwerken ausspielt, muss bald genauer erklären können, wie das passiert.
Ebenfalls auf dem Radar ist die neue Produktsicherheitsverordnung (GPSR). Sie verlangt von Händlern, dass sie ihre Lieferketten besser im Griff haben. Produkte müssen nachvollziehbar sicher sein, Herkunft und Risiko dokumentiert, der Rückruf im Fall der Fälle muss funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk.
EU sorgt für klare Regeln
Besonders sensibel ist aber der AI Act. Die EU hat sich vorgenommen, als erstes politisches Gebilde weltweit eine Regelung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu schaffen. Wer eine Hochrisiko-KI einsetzt, etwa im Kreditwesen oder bei Bewerbungsverfahren, muss dokumentieren, testen, auditieren und notfalls den Stecker ziehen. Auch Recommendation-Engines in Onlineshops rutschen potenziell in den Graubereich.
Ein Flickenteppich droht und bestes Beispiel ist wohl das Glücksspiel. Während die einen Länder Lizenzen liberal vergeben, arbeiten andere mit rigiden Sperrmechanismen wie dem deutschen OASIS-System. Wer sich bewusst davon abkoppeln möchte, informiert sich über sogenannte Casinos ohne OASIS wie auf https://de.pokerstrategy.com/casino/ohne-oasis/, die in anderen EU-Staaten lizenziert sind und andere Maßstäbe anlegen. Hier wird nicht harmonisiert, sondern segmentiert.
Mehr Schutz, mehr Klarheit, mehr Inklusion
Was ist also die große Idee hinter all dem Papier? Ein faires, sicheres und inklusives Internet für alle. Klingt gut, ist auch nicht ganz falsch. Der Zugang zu digitalen Angeboten soll künftig nicht mehr vom Fehlen eines Screenreaders oder der Farbsehfähigkeit abhängen. Inhalte müssen verständlich und lesbar sein.
Gleichzeitig soll der DSA für mehr Sauberkeit in den Feeds sorgen. Keine Werbung mehr für Diätpillen bei 14-Jährigen, keine personalisierten Anzeigen auf Basis sensibler Daten und keine intransparenten Empfehlungs-Algorithmen, die niemand versteht, außer vielleicht die fünf Leute, die sie programmiert haben. Plattformen müssen erklären, wie Inhalte sortiert werden, warum ein Post erscheint und wie Nutzer Einfluss darauf nehmen können.
Und mit der Produktsicherheitsverordnung versucht die EU, den wilden Westen der Marktplätze einzuhegen. Händler sollen nicht mehr aus Fernost beliebige Ware importieren können, ohne nachzuweisen, dass sie nicht brennt, platzt oder giftige Dämpfe absondert. Mehr Schutz, weniger Risiko. So die Idee.
Was bedeuten die neuen Regeln für Unternehmen
Wo mehr Schutz herrscht, steigt oft auch der Aufwand. Für Unternehmen bedeuten die neuen Regeln vor allem Anpassung. Wer bislang seine Website aus den frühen 2010er Jahren durchgeschleppt hat, muss aufrüsten. WCAG 2.1 AA ist kein Selbstläufer. Es erfordert sauberen Code, kontraststarke Designs und barrierefreie Formulare. Das ist kein Hexenwerk, aber auch kein Sonntagsspaziergang.
Auch im Bereich KI wird es knifflig. Wer Recommendation-Algorithmen einsetzt, muss nachweisen, dass sie nicht diskriminieren, dafür aber Menschenrechte wahren und technisch nachvollziehbar funktionieren. Das kann dazu führen, dass kleinere Shops ihre ausgeklügelten Empfehlungsfunktionen abschalten.
Regulierung oder Innovationsbremse?
Nicht alle sehen in den neuen Regeln den Weg in ein besseres Internet. Gerade im Bereich Künstliche Intelligenz befürchten viele, dass Europa sich selbst aus dem Spiel nimmt. Während US-Konzerne weiter testen und justieren, müssen europäische Anbieter Formulare ausfüllen und Risikoberichte schreiben. Auch die Pflicht zur Transparenz in Algorithmen kann zum Problem werden, wenn sie Geschäftsgeheimnisse gefährdet.
Kleine Plattformen oder Start-ups stöhnen ebenfalls. Wo früher ein Entwicklerteam mit Ideen glänzen konnte, braucht es heute oft eine Rechtsabteilung im Rücken. Manche sprechen bereits von einer „Compliance-First“-Mentalität, bei der Innovation im Zweifel dem Sicherheitscheck zum Opfer fällt.
EU-weit geregelt und doch nicht einheitlich
Einheitliche Regeln auf dem Papier, Chaos in der Praxis. Das ist nicht neu in Europa, aber im Digitalbereich besonders sichtbar. Denn obwohl viele Vorschriften auf EU-Ebene beschlossen werden, liegt die Umsetzung oft bei den Nationalstaaten und die haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was gut, fair und sicher ist.
Diese Uneinheitlichkeit betrifft auch Streamingdienste, Medienplattformen und Verkaufsportale. Die Folge ist. dass sich Anbieter auf jeweils nationale Besonderheiten einstellen müssen, was Zeit und Geld kostet und Nutzer erleben das Netz je nach Wohnort ganz unterschiedlich.
Wer sich nicht an die Regeln hält, riskiert echte Konsequenzen. Der DSA sieht Bußgelder von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes vor. Das ist eine Summe, die auch für große Plattformen nicht unerheblich ist. Die GPSR ermöglicht es Behörden, riskante Produkte direkt vom Markt zu nehmen und das BFSG lässt Marktüberwachungsbehörden aufmarschieren, wenn barrierefreie Standards missachtet werden.
Doch auch rechtliche Unsicherheiten nehmen zu. Was genau zählt als Hochrisiko-KI? Wie konkret muss die Barrierefreiheit aussehen? Reicht ein Widget oder braucht es vollständige strukturelle Anpassungen? Viele Fragen sind noch offen, manche Antworten werden wohl erst vor Gericht gefunden. Für Unternehmen bedeutet das Unsicherheit trotz Regulierung.
Wie das digitale Europa der Zukunft aussehen könnte
Die Vision ist ein inklusives, sicheres und transparentes Internet für alle. Eines, in dem Menschen nicht durch Technologie ausgeschlossen werden und Unternehmen Verantwortung übernehmen. Wenn die Umsetzung gelingt, kann Europa tatsächlich ein Vorbild sein. Wer frühzeitig mitzieht, kann sich nicht nur rechtlich absichern, sondern auch Vertrauen gewinnen. Gleichzeitig bleibt ein mulmiges Gefühl. Die Masse an Vorschriften, die Geschwindigkeit der Einführung und die drohenden Sanktionen machen nicht wenigen Angst. Das Netz soll besser werden, aber auf dem Weg dorthin droht es, bürokratisch zu verkrusten.