Kommentar von Michael Jagersbacher
Ich beschäftige mich seit über 25 Jahren intensiv mit dem Thema Geld, Geldentstehung und Geldmodellen. Ich habe hunderte von Theorien intensiv studiert und muss sagen, dass es wohl kaum etwas komplexeres – außer vielleicht das Phänomen Liebe – als Geld gibt. Just das einzige Phänomen, welches sich bekanntlich nicht mit Geld kaufen lässt.
Dass Geld eine riesige Auswirkung auf unser aller Leben hat, steht wohl außer Zweifel. Wie genau die Struktur des Geldes auf die Gestaltung unserer Realität wirkt, wird weitaus seltener behandelt. In folgendem Artikel möchte ich, ohne Studien oder allzu theoretische Modelle zu bemühen, auf diese Struktur und mögliche Auswirkungen auf uns alle eingehen.
Wie wird Geld geboren?
Wenn wir über Geld reden, sprechen wir gemeinhin nicht über die Struktur des Geldes, sondern über Haben oder Nicht-Haben von Geld. Kann ich mir mein Leben leisten? Welche Anpassungen muss ich vornehmen? Wie kann ich mehr verdienen? Wie kann ich ein besseres (=teureres?) Leben führen? Das sind Fragen, mit denen sich jeder von uns früher oder später beschäftigt. Das Konstrukt „Geld“ beschäftigt uns beinahe tagtäglich. Hinzu kommt, dass es oft als Synonym für ein erfolgreiches Leben steht – je mehr Geld vorhanden, desto mehr Erfolg hat man. Doch das ist Stoff für eine eigene Artikelreihe.
Viel seltener fragen wir uns jedoch, wie Geld geboren wird. Hand aufs Herz: Könnten Sie, ohne KI und Co. zu bemühen, beantworten, wie Geld in die Welt kommt?
Geld ist Schuld
Lesen Sie die Überschrift nochmals! Ich habe sehr lange gebraucht, um diese drei Wörter zu verstehen. Jeder Euro, Dollar, Yen, Schweizer Franken oder was auch immer Sie auf Ihrem Konto anhäufen, ist die Folge eines Kreditaktes. Ohne jemanden, der einen Kredit für was auch immer aufnahm, gäbe es dieses Geld nicht auf Ihrem Konto. Geld wird nicht beliebig geschöpft, wie gerne von verschiedenen vereinfachten Modellen ausgegangen wird, es muss immer ein Wert dahinter stehen (realer Wert, zukünftiger Wert, immaterieller Wert, materieller Wert, zukünftige Schuldenpotenziale, etc.). Erst, wenn ein solcher Wert vorhanden ist, wird die Bank einen Kredit gewähren. Bei Staatsschulden wird die zukünftige Fähigkeit eines Volkes oder Staates seine Schulden zurückzubezahlen, als Wert angenommen. Je besser diese Fähigkeit eingeschätzt wird, desto mehr Schulden werden begeben und desto niedriger ist der Zinssatz dafür (die berühmten Ratingagenturen kommen hier ins Spiel).
Nochmal: Geld gelangt nur in die Welt, wenn auf der anderen Seite jemand steht, der Schulden aufnimmt (Unternehmen, Staaten, Regionen, Kommunen, Gemeinden, Staatsbündnisse, Privatpersonen).
Gäbe es keine Schuldner, gäbe es kein Geld. – Michael Jagersbacher
Was ist das Problem?
Das Problem ist, dass es immer neue Nachschuldner geben muss. Wenn ein Kredit nämlich „beglichen“ wird, wird damit in Wirklichkeit Geld „zerstört“. Wenn ein Kredit aufgenommen wird, expandiert die Geldmenge. Werden Schulden beglichen, deflationiert die Geldmenge. Die Geldeinheiten werden weniger. Das Hauptproblem liegt darin, dass das Geld verzinst und „verzinseszinst“ wird. Dieses Geld gibt es aber nicht, wenn der Kredit „geschöpft“ wird. Diese muss erst wieder entstehen. Es müssen also Nachschuldner gefunden werden, die bereit sind, neue Kredite aufzunehmen. Würden alle Kredite der Welt, inklusive Zinsen fällig gestellt werden, wäre nicht genug Geld vorhanden, um dieser Forderung auch nachzukommen. Nun ist auch klar, weshalb Staaten und Institutionen als Nachschuldner einspringen. Sie MÜSSEN Geld erzeugen, um das System der Geldexpansion in Gang zu halten. Es geht also gar nicht anders als dass die Geldmenge ausgeweitet wird und das eigene Sparguthaben damit entwertet wird.
Stichwort: Wirtschaftskrise
Wenn die Wirtschaft wächst, die Auftragsbücher voll sind und breiter Optimismus herrscht, werden auch Kredite aufgenommen, um zu investieren. Projekte werden umgesetzt und niemanden stört die Geldschöpfung, weil der Großteil der Menschen höhere Löhne bekommen. Wenn es zu einer Rezession kommt, dann sieht die Sache jedoch anders aus. Kredite werden nicht mehr aufgenommen, weil die Sicherheiten, aber vor allem das Vertrauen in die Zukunft fehlen. Nicht nur die Wirtschaft schrumpft, sondern auch die Geldmenge. Das sorgt zwar dafür, dass die eigenen Geldvermögen, sofern vorhanden, mehr Wert werden, aber der Cashflow drastisch sinkt oder eben vollkommen einbricht. Das Blut des Wirtschaftskreislaufs stockt. Es wird also jemand einspringen müssen, der Schulden aufnimmt und das Werk wieder zum Laufen bringt.
Schuldenfreiheit Illusion
Nachdem Geld Schulden sind und Schulden Geld sind, ist vielleicht auch einsichtlicher, weshalb es niemals zu einer absoluten Reduktion der Gesamtschulden kommen kann. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen werden in den Schuldenkreislauf einbezogen. Das hat Auswirkungen auf das Leben jedes einzelnen Menschen auf dem Planten. War es früher noch möglich, dass das Einkommen eines Familienmitglieds ausreichte, um eine Familie zu ernähren, so funktioniert dies heute mit zwei Einkommen schon kaum mehr. Die Entstehung und Einbeziehung der Emerging Markets und anderer Regionen ist eine rein logische Schlussfolgerung aus der Notwendigkeit der Verschuldung. Auch die Einbeziehung zukünftiger Generationen in den Schuldenakt ist eine solche notwendige Schlussfolgerung. Denken Sie daran: Österreich hat eine 100-jährige Anleihe begeben, die bis 2117 läuft. Das ist kein Spaß! Ohne Schulden kein Geld!
Entwertung überall und für immer
Was bedeutet das nun für Ihr Erspartes? Nun, die Ausweitung der Schulden und damit der Geldmengen sorgt dafür, dass Ersparnisse Tag für Tag weniger Wert werden. Sparen in Geldeinheiten – es spielt keine Rolle, ob in Euro, Dollar, Yen oder Rubel – sorgt für reale Kaufkraftverluste, egal, wie viel Zinsen Sie auch lukrieren. Und diese sind weitaus höher als die Medien Ihnen Glauben machen möchten. Sie sehen es ja am wöchentlichen Einkauf: der Wagen wird immer leerer, aber die Zahlen immer höher. Besonders seit Corona, durch die massive Schuldenaufnahme (= Geldschöpfung) hat sich dieser Prozess massiv beschleunigt. Österreich leidet offiziell noch immer unter 4% Inflation – inoffiziell vermutlich bei über 10% pro Jahr. Wie sollte man nun sein Geld anlegen, um diesem Kreislauf zu entrinnen? Ich bin kein Anlageberater, aber man sollte sich vermutlich überlegen, welche Assets von der Ausweitung von Geld profitieren…
Degrowth-Mythen
Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen: Klimawandel und Degrowth-Fantasien. Es gibt Modelle, die, zum Wohle des Klimaschutzes, möchten, dass gewisse Gesellschaften auf wirtschaftlichen Wachstum verzichten und vielleicht sogar den Rückwärtsgang einlegen, um Klima und Umwelt zu schützen. Was bedeutet das konkret? Nun, es bedeutet, dass weniger Kredite aufgenommen werden sollen (=weniger Wachstum bedeutet weniger Investitionsnotwendigkeiten, außer in „grüne“ Projekte, deren Rendite in den Sternen stehen oder von staatlicher Intervention abhängig sind). Dies wiederum bedeutet, dass weniger Geld zur Verfügung steht. Wirtschaftsschrumpfen, Massenarbeitslosigkeit und Armut wären die Folgen dieses Prozesses. Sozialsysteme wären nicht mehr aufrechterhaltbar – Spoiler: sind sie jetzt auch schon nicht, weil? Bingo! Es immer weniger Nachschuldner gibt, die ins System einzuzahlen bereit sind. Aber keine Sorge: Es gibt noch genug Schuldner auf der Welt! Jährlich kommen um die 70 Millionen hinzu. Das System kann sich also noch Jahrzehnte weiterdrehen.
Fazit
Das Fordern der Rückzahlung von Staatsschulden ist eine Forderung, die mit der Realität nichts zu tun hat. Damit würde Geld zerstört werden, beziehungsweise der Verschuldungsdruck einfach an andere Menschen, Staaten, Regionen oder Institutionen abgegeben werden. Es gibt nie genug Geld, weshalb das Geldsystem IMMER expandieren muss. Dies hat natürlich gewisse Auswirkungen auf die Wirtschaft, wenn auch immer weniger Geld in der Realwirtschaft landet, sondern für reine Geldvermehrung verwendet wird. Für Ihr Geld bedeutet das, dass Sie, wenn Sie ein Vermögen aufbauen oder erhalten wollen, andere Investitionsquellen finden müssen als Euro, Dollar & Co. Grüne Träume von „gesunder Schrumpfung“ in der Postwachstumsökonomie müssen wie Seifenblasen platzen, weil sie den Verschuldungsdruck einfach auslagern. Die Folgen solch einer Politik sieht man bereits am Industriesterben in Deutschland. Solange die Aktienkurse hoch bleiben, ist das kein Problem (Realwirtschaft versus Investitionswirtschaft). Aber keine Sorge: Die Industrie stirbt nur vor Ort! Sie wird Wege finden, an anderer Stelle ihrem wirtschaftlichen Auftrag nachzukommen. Weit weg von Österreich oder Deutschland!
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